Herbstgeflüster
Gerade eben noch war die Stadt da. Laut, dreckig, unnachgiebig. Die Straße war übervoll. Dann wechselte die Ampelschaltung und brachte die Blechlawine für einen Augenblick zum stehen. Mit ihr blieb für mich die ganze Welt stehen. Wegen dir. Ich hatte kaum einen Fuß auf die Straße gesetzt, da entdeckte ich dich auf der anderen Seite, ebenso weit vorangekommen bei dem Straßenüberquerungsvorhaben. Deine grünen Augen sahen mich unverwandt an. Dein Schal wirbelte im Wind, ein paar kleine goldene Blätter hatten sich darin verfangen. So wie ich mich in dir.
Zeit verging. Das war nicht zu leugnen. Doch war es auch nicht spürbar. Ich war so erfüllt von deiner Erscheinung, dass mich nichts anderes mehr erreichte. Der vielleicht letzte blaue Himmel für die nächsten Wochen ging genauso an mir vorbei, wie die eigentlichen Besitzer der Straße, welche diese schon seit einer Ewigkeit wieder vereinnahmt hatten. Abgesehen von einem kleinen Fleck in der Mitte.
Du warst stehen geblieben. Direkt vor mir. Standest einfach schweigend mit deinem forschenden Blick da und hast mich angelächelt. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mein inneres nach außen, zu dir, zu lassen. Doch es ging nicht. Meine Handlungsfähigkeit war scheinbar gleich zusammen mit dem Herz aus der Hose gerutscht und lag jetzt irgendwo gut gepresst unter der rollenden Masse.
Bei der nächsten Grünphase hast du meine Hand genommen und bist einfach losgelaufen. Losgelassen hast du nicht mehr.