Meandering Soul

This day is done, I'm going home.
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Birds

16
Jun 2010

Den Titel eines Liebesliedes für einen Text über Twitter zu wählen mag Nichtnutzern etwas seltsam vorkommen. Doch genau das ist es: Liebe pur. Die meisten sozialen Netzwerke sind entweder asoziale Gruppensammelhaufen oder übersoziale Allessammelhaufen. Allgemein: Sammelhaufen.

Nicht so Twitter. Schon allein auf Grund des 140-Zeichen Formates der hinterlegbaren Nachrichten geht nicht alles immer einfach so, wie es sonst fast überall geht. Wenn man beispielsweise nur mal das Einfügen eines Bildes auf Facebook und Twitter vergleicht. Die eine Plattform blendet es sofort ein, überflutet den Anwender so häufig mit Information, die er so möglicherweise gar nicht haben will. Bei Twitter dagegen kann man nicht einfach so ein Bild einfügen, man kann höchstens einen Link zu einem Bild einfügen. Neulingen erscheint dies, genauso wie bei YouTube Videos und eigentlich jeglichem anderen Inhalt, meist wenig sinnvoll und schon gar nicht intuitiv. Womöglich ist es das auch nicht.

Doch gibt es diverse Hilfsmittel, die versuchen Licht ins Dunkel und Leichtigkeit ins Leben im Netz zu bringen. Allen voran seien an dieser Stelle Twitpic, img.ly, yfrog und Konsorten genannt, Webseiten die sich darauf spezialisiert haben Bilder (und teilweise auch Videos) so aufzubereiten, dass sie so einfach wie möglich in einer Twitternachricht veröffentlicht werden können. Mittlerweile haben sehr viele der altbekannten Medienanbieter ähnliche Funktionalität eingerichtet. Nun also noch mal zur Einfachheit: Auf den ersten Blick scheint die Bildsache kompliziert, auf den zweiten ist sie nicht wesentlich umständlicher als zum Beispiel auf Facebook.

Soviel zu Multimedia. Was ist mit Links zu Blogartikeln, Nachrichten, dem ganzen Rest?

Man könnte die aktuelle Phase des Internets in diesem Zusammenhang mit “The dawn of the URL Shortener” verfilmen, wenn man das Internet verfilmen könnte.
Aus der Tatsache heraus, dass die meisten Webadressen einfach zu lang sind um sie “mal eben kurz weiterzugeben” entstand vor einiger Zeit die Motivation für Dienste, die aus langen URLs kurze bilden, die dauerhaft und eindeutig auf die Originale weiterleiten - URL Shortener. Tinyurl, Bit.ly und is.gd seien hier stellvertretend genannt. Das zu den Werkzeugen.

Was macht man nun damit und mit den 140 Zeichen und was sind überhaupt Friends und Follower und was haben diese @’s zu bedeuten und warum um
Himmels Willen hat der eigentlich am Anfang von Liebe gesprochen?

Also immer der Reihe nach. Was man damit macht sollte eigentlich klar sein, man gibt Information weiter. Was genau bleibt jedem selbst überlassen, schließlich haben wir ja (noch) sowohl freien Willen als auch freie Meinung. Allerdings, so wird sich der Neuling fragen, ist es doch relativ sinnlos, einfach irgendwelchen “Mist” in diese kleine Box zu schreiben, wenn das keiner liest. Da hat der Frager auch recht. Deswegen sucht man sich seine Gefolgschaft. Das ist der kritische Punkt des Twitterns: Wen will man lesen und vor allem, von wem wird man gelesen? Ersteres kann man recht leicht selbst beeinflussen, schon bei der Anmeldung kriegt man ein paar Nutzer des Netzwerkes empfohlen, über diese wird man schnell auf weitere “Follower” aufmerksam werden. Zweiteres jedoch ist nicht wirklich selbstbestimmbar. Das ist die Einstiegshürde, eine Stammleserschaft zu finden, von der man gelesen wird, die “Friends” oder auch “Followings”. Wenn man jedoch kontinuierlich neues schreibt kommen die Leser von ganz allein.

Bisher war das alles noch ziemlich unsozial, nicht viel mehr als eine öffentliche Gedankensammlung ohne sichtbaren Mehrwert, wenn man es genau nimmt. Jetzt wird es langsam interessant. Wenn man nun schreibt und liest was andere schreiben, dann kommt ab und an - natürlicherweise - ein Reaktionsbedürfnis auf. Dafür gibt es in der Twitterkultur verschiedene Möglichkeiten. Beim Namen genannt wären das @-Replys, Retweets, Replys ohne @ (indirekte Rede sozusagen) und Direktnachrichten. Was verbirgt sich dahinter? Kurz gesagt: Der soziale Aspekt. Durch Reaktionen auf geschriebenes (Replys und Direktnachrichten) können mehr oder weniger lange Diskussionsfäden entstehen, man lernt neue Ansichten und Menschen kennen. Meist schneller und unkomplizierter, als dies anderswo geht. Man könnte an dieser Stelle den Vergleich mit einem antiken Forum anstellen, wo sich alles versammelt hat, um über die aktuellen Themen zu diskutieren, zu philosophieren, oder einfach nur dem Spektatel beobachtend beizuwohnen, einfach so, mit den anderen Anwesenden. Manchmal gibt es dann Aussagen, die von größerer Wichtigkeit sind, die weitertransportiert werden müssen. Aus diesem Grunde sind Re-Tweets entstanden, Wiederholungen eines Tweets eines anderen, um die Nachricht auch an die eigenen Leser weiterzugeben und so mehr Menschen zu erreichen, als es einem einzelnen möglich wäre. Das ist zwar das moderne Forum, aber immer noch die Oberfläche.

Unter der Haube gibt es dann Erscheinungen, die man im Allgemeinen unter dem Mem-Phänomen zusammenfassen kann. Kurz gesagt ist ein Mem eine Idee, ein Gedanke, insbesondere auf Twitter häufig Anhäufungen von Unmengen von Tweets zum gleichen Thema. Häufig werden diese dann mit einem bestimmten sogenannten Hashtag markiert. Hashtags sind diese Worte oder Zeichenkombinationen die mit einem Rautenzeichen am Anfang gekennzeichnet werden. Die sehen auf den ersten Blick etwas kryptisch aus, helfen aber ungemein dabei den Überblick zu behalten.

Schließlich und endlich fehlt jetzt für den Nichtnutzer immer noch diese komische Liebe, von der ich da sprach. Denn wer einmal etwas tiefer hineingeschnuppert hat, in die kleine große bunte Welt von Twitter, der wird wissen, was ich meine. Es sind die vielen Menschen, die es tagtäglich und immer wieder schaffen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern mit ihren Botschaften voller Glück und Freude, Botschaften von oft weit weniger als den zugelassenen 140 Zeichen. Es sind diese Menschen, die man nur aus ihren geschriebenen Worten kennt und doch nur allzu oft entsteht zu einigen von ihnen eine Bindung, als ob man sie schon immer kennen würde - mutual weirdness sind die Worte, die diesen Zustand für mich am Besten beschreiben. Gleichzeitig ist die Liebe zu Twitter für mich aber auch die Liebe zum Detail. Und eben nicht nur das Detail im schönen Zeitvertreib, sondern auch das Detail im Festhalten von Nachrichten und vor allem in der Regel auch in Sachen Korrektheit der Information. Trotzdem wird eigentlich nie der Witz aus dem Auge verloren, immer versucht einen Weg zu finden den grauen Alltag so gut wie eben möglich einzufärben.

Bleibt noch eine Frage: Warum hab ich das hier alles geschrieben?

Irgendwann entdeckte ich Twitter.com und relativ bald wusste ich zumindest was es an technischen Möglichkeiten bietet. Dann habe ich mich einfach mal angemeldet. Am Anfang hab ich von dem großartigen “Leben”, von dem sozialen Netzwerk Twitter, nicht viel mitbekommen, kannte fast keinen derer denen ich folgte persönlich, lebte in einer Blase. Mit der Zeit dann brach diese Blase und ich entdeckte die eigentliche Großartigkeit von Twitter. Seitdem kann ich mir ein Leben ohne nicht mehr vorstellen. Nicht unbedingt, weil mir die Witze fehlen würden, oder weil ich besonders wichtige Informationen nur bzw. am besten über diesen Weg kriege, nein, viel mehr, weil mir der Kontakt zu den vielen großartigen Menschen fehlen würde, die mir tagtäglich zeigen, dass es einfach immer auch etwas anderes als die eigenen Gedanken gibt, dass diese aber nichtsdestotrotz immer wichtig sind. Ebenso würde mir auch dieser besondere Kanal zur eigenen Mitteilung fehlen. Man hat tagein tagaus so viele winzige Gedanken. Es ist wunderbar und wichtig teilen zu können. Twitter ist ein - nicht nur praktischer - Weg dies zu tun.

Teilen. (Fast) alles.

  • Published on June 16, 2010
  • 1179 words