Ein Schicksal
Irgendwo auf halber Strecke zwischen Kopf und Herz schlummern sie, die nie geschriebenen Gedanken. Sie zermürben den Geist, Stück für Stück, und halten nie inne. Sind sogar so dreist und bewegen sich gleichsam fortwährend knabbernd in Richtung Herz.
Ein Mensch sitzt da, vor einem leeren Blatt Papier. Ein Bleistift in der Hand. Abgenagt am einen, abgewetzt am anderen Ende. Der Geruch von Graphit liegt in der Luft, zerknüllte, einzeilig bekritzelte Blätter auf dem Boden.
Auf den Boden!
Das könnte die Lösung sein, auf den Boden der Tatsachen sich zu begeben. Doch wo war dieser, wie tief musste er wohl noch fallen und würden die kleinen Gedankentierchen ihn noch so lange in einer stabilen Form belassen? Nicht denken, schreiben. Das ist die Devise. Doch was?
Man könnte die ganze Situation auch etwas breiter aufspannen und sich fragen, wie es denn zu dieser prekären Lage gekommen ist. Nun, wissen Sie, das ging recht schnell, man fing den einen oder anderen Text zu schreiben an, verfolgte zwei, drei kurze lyrische Anwandlungen und ehe man sich's versah, erschrak man vor der Ausstrahlungskraft seiner Worte und schluckte den nächsten Gedanken lieber erst einmal herunter. Den noch gesunden Leidensgenossen sei hier gesagt: Gedanken zu schlucken ist nicht zu empfehlen. Sie sind selten flüssig und erst recht nicht verdaubar. Stattdessen haben sie die Eigenheit, sich ganz und gar unanständig zu benehmen, zurück in dem Körper, in dem sie entstanden. Setzen Flausen in den Kopf und Flusen überall sonst, verwirren wo es nur geht und fangen an allem an zu Knabbern.
Was macht man nun, wenn das Herz angeknabbert wird, von solch uneinsichtigen Gedanken? Ich würde das auch gerne wissen. Über das Nichtschreiben zu schreiben ist zwar erstaunlich produktiv, aber dennoch kommen dabei immer diese Art Texte heraus, welche ein Eigenleben der ganz besonderen Art entwickeln: Sie setzen noch mehr knabbernde Gedankentierchen in den Kopf.